Vita

Maren Strack

Es ist immer etwas Gewalttätiges in den Arbeiten von Maren Strack, sie gehen an die Grenze physischer Belastung und spielen mit den Erwartungen an weibliche Körper. Unvergesslich, wie sie etwa in „muddclubsolo“ ihren Körper an ihren eigenen fuchsroten Haaren aufknüpft, während ihre Füße freischwebend über dem Boden in groben Gummistiefeln baumeln. Sie strapaziert unter beengenden Umständen eigentümliche Kostüme („DasLaufmaschenistnichtmehrzukittenSolo“) oder vollführt lautstark Veitstänze in Kufen- und Nagelschuhen. Darunter ächzen Metallplanken (“ICE Lise Meitner”), es zerstaubt ein Ytongblock (in ihrem Solopercussionstück „Ytong“) oder sie knallt Peitschen in „6 Feet Deeper“ bei einem Zusammenspiel mit Videoprojektionen zum legendären Cowgirl Calamity Jane.

Bei der studierten Bildhauerin, einer Virtuosin im Auf-der-Stelle-Treten, wird aus der Installation ein Tanz, der in großen Werkschauen wie zuletzt im Münchner Rathaus auch dann funktioniert, wenn die Künstlerin abwesend ist. Ihre Objekte und Maschinen vollführen gern ein pneumatisches und sonst wie mechanisches Eigenleben, inspiriert von ihren ersten Erfahrungen schon als 4-Jährige, die in Hamburg geboren ihren Kettcar mit riesigen Hinterrädern ausstatten ließ und seither von jedwedem physikalischen Eingriff, dem Spiel mit Drehmoment, Übersetzung, Hebelkraft und Überschallknall, nicht mehr lassen will.

Maren Strack

Für jede Skulptur und Performance entwickelt sie neue (Bewegungs-)Techniken. Mal ist sie selbst Teil des physikalischen Experiments, mal sind es die Materialien, die in Bewegung gebracht sich dehnen, quietschen, brechen oder zerschellen. Wenn sie im elastischen Kleid mit dem Malstrom der Mechanik tanzt, dann jault der Stoff.

Latex, Ytong, Stahl, Haare, sämtliche Materialien werden auf ihre choreografische Benutzbarkeit untersucht und im Dauertest überstrapaziert, um dem Material entsprechend ganz spezifische Bewegungsabläufe bzw. deren Bewegungsgrenzen zu (er-)finden. Gekleidet in Materialien wie Kunstfell, silbernem Latex oder weißen Stoffmassen spielt sie mitunter E-Gitarre, auf selbstgebauten Instrumenten oder mit eigenartigen Soundverstärkern für Kostüme und Requisiten. So schlägt sie stets hörbar spannende Spannungsbögen zwischen der physischen Präsenz des Tänzerinnen-Körpers und der manipulativen Kraft, die sie den Maschinerien und ihren Mechanismen entlockt.

Die performative Installationskunst Maren Stracks weist dabei zahlreiche Verbindungslinien und Annäherungen zum Thema moderner Weiblichkeit in Zusammenhang mit Körperaktion, Bewegungsdynamik und Technik auf. Diese Bereiche stehen sich im Kontext ihrer Arbeit keineswegs fremd gegenüber, sondern untersuchen Möglichkeiten und Dimensionen eines Frauenbildes, in dem Eigenständigkeit, Durchsetzungskraft, Abenteuerlust und feminine Ausstrahlung zusammengehören.

Arnd Wesemann

Vita

Maren Strack erhielt unter anderem den Autorenpreis des Jungen Theaters Bremen sowie den Sonderpreis für das beste Deutsche Tanzsolo. Sie war Stipendiatin am Künstlerinnenhof „Die Höge“, Bassum (2000), an der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart (2001) und dem Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop (2005). Von 2008 – 2013 war sie Gastprofessorin und Studiengangsleiterin des Studiengangs Raumstrategien der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Seit 2009 hat sie einen Lehrauftrag für Performance an der UDK, Berlin.

Ihre Arbeiten und Performances zeigte sie unter anderem an folgenden Orten:
Pavillon Mies van der Rohe, Barcelona; Goetheinstitut Salvador Bahia, Brasilien; Städelmuseum, Frankfurt; Stadtgalerie Sofia, Bulgarien; Akademie der Künste, Berlin; Panasonic Center, Tokyo, Japan; Printemps de Septembre, Toulouse; Berliner Festspiele; In Motion, Museum für moderne Kunst, Barcelona; Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris; Vooruit, Genth, Belgien; Haus am Waldsee, Berlin; Goetheinstitut Belgrad; Deutsches Museum, München; Ménagerie de Verre, Paris; Festival Tanz im August, Berlin; Yamaguchi Centre for Media and Arts, Yamaguchi, Japan; Künstlerhaus Mousonturm, Frankfurt; Festival Perspectives, Saarbrücken; Pina Bausch Festival, Essen; BankArt 1929, Yokohama, Japan; In Situ, Marseille; Neuer Berliner Kunstverein, Berlin; Rathausgalerie, München.

Texte

Die Performance-Künstlerin Maren Strack bewegt sich zwi­schen Bildhauerei und Tanz. Aus Bewegung, Requisiten und Geräuschen setzt sie Geschichten zusammen, die je­dem Zuschauer etwas anderes erzählen. Mit ironischer Theatralik verbindet sie die Genres, frei von jeg­lichen Berührungsängsten.

Beim Versuch, Maren Stracks Themen einzukreisen, landet man immer wieder bei Begriffen wie „Körperlichkeit“, „Ab­hängigkeit“ und „Freiheit“. Strack schafft Spannungsverhält­nisse zwischen der physischen Präsenz des Tänzerinnen-Körpers und der manipulativen Kraft von Maschinerien und ihrer Mechanismen. Die Frage stellt sich, wer tatsächlich wovon abhängt: Der Körper von der Maschine – oder umgekehrt?

Der Körper steckt in Requisiten, die seine „Natur“ komplett ad absurdum führen. Überdimensionale Kleider aus merkwürdi­gen Materialien wie Kunstfell, silbernem Latex oder weißen Stoffmassen, die an ein monströses Hochzeitskleid erinnern, machen die Performerin bereits zum Kunstwerk, bevor sie auch nur den kleinen Finger krümmt. Ungewöhnliches Schuh­werk lenkt die Aufmerksamkeit auf die Füße: Wanderschuhe auf Eisenkufen, Pumps mit riesigen Absätzen, begehbare Bürsten etc. verändern jegliche Art von Bewegung, die plötz­lich ganz neuen Zwängen (oder Möglichkeiten) unterliegt.

Mit Humor hinterfragt Maren Strack die Bedeutung und die Wahrneh­mung von Tanz. Was ist Tanz? Welchen Regeln und Normen unterliegt er? Wo sind die Grenzen – der Schwerkraft, der Logik, des Körpers, der Wahrnehmung? Und wie lassen sie sich aushebeln?

Christiane Pfau

Neue “Orchésographie“*

Füße sind nicht nur zum Gehen da, das zeigen allerorten die Solotänzer des ohrwürmigen Musiktheaters. Diese Hampeln und Rudern mit den Extremitäten und all die gymnastischen Fisimatenten drum herum – die Rituale des Verrenkungs Establishments geben der erotischen Phantasie die letzte Ölung. Aber es geht auch anders.

In ihrer „Ytong“ -Performance verwandelt Maren Strack ein Paar Tanzfüße in Instrumente blockbrechender Schwerstarbeit. Wie die metallbeschlagenen Sohlen in den Stein gerammt werden, das erinnert an ein formabtragendes bildhauerisches Verfahren. Aus der erhofften tänzerischen Bewegung im Raum wird ein zerstörerisches Auf-der-Stelle-Treten. Wie geht das weiter? Anders, ganz anders; Kontrastprogramm. Die Revue ist passé. Im Ohr steigern sich Trittgeräusche und das stoppende Geschnalz perkussiver Zungenakrobatik zu steinerweichender Intensität.

Minimalistischer Sound umrahmt auch das mechanische Ballett einer Gehmaschine, die sieben Paar Schuhe und Prothesen zum Leben erweckt. Es ist eine Kunst-Maschine die mit schuhplattlerndem Hintersinn sowohl auf die ausgeklügelte Hochmechanik des 17. Und 18. Jahrhunderts als auch auf die androiden Automaten der industriellen Revolution Bezug nimmt. „Hebel, Kambrad und Getriebe, Schraube und Schnecken, Seile und Kolben“ hat Andreas Jungnickel seinem Schüler zur Mechanica (Nürnberg, 1661) für das Grundgerüst der Maschinen gefordert. Die Lust an der unheimlichen Pseudolebendigkeit führte auch E.T.A. Hoffmann den Griffel, bei der Erschaffung seiner Olimpia, in der 1815 erschienenen Erzählung „Der Sandmann“. Maren Stracks Maschinchen surrt, rasselt, klappert, schleift… als ob man Coppola und Spalanzani, die beiden Teufelsmeister der Olimpia-Story, mit Fabritio Carosoda Sermoneta, dem berühmten venezianischen Tanzlehrer zusammengesperrt hätte, damit sie einen maschinellen Bewegungsablauf erfänden, der endlich den detaillierten Regeln der Manierenbücher entspräche. Diese im absurden tackernde Gehmaschine ist ein zuverlässiger Ratgeber für Ballbesucher und Ballgeber, um jenem höchst unziemlichen Eindruck vorzubeugen, den Tanzschüler/innen zuweilen im Akt der Vergeudung ihrer natürlichen Grazie erwecken. In ihrem Monitor-Quartett „Tanzstunde“ schließlich weist Maren Strack den postmodernen Biedermeier in die Schrittfolge des Putz- und Haushaltstanzes ein. Wie mit Hilfe von Klingel- und Bürstenschuh ein soziales Nähe- und Distanzverhältnis charakterisiert wird, das ist wirklich märchenhaft.

*Orchésographie lautet der Titel des berühmten Tanzlehrbuches des Thoinot Arbeau, des wohl bedeutendsten Tanztheoretikers des 16. Jahrhunderts.

Christoph Tannert